Michael Sommer: Mordsache Caesar Leseprobe bei C.H. Beck Verlag
Aus der Leseprobe:
"Die zeitlose Relevanz des Stoffes entdeckte als Erster William Shakespeare – und entwickelte daraus ein Drama von enormer Suggestions- und bleibender Faszinationskraft. Bezeichnend ist, was Historiker und Literaturkritiker jahrhundertelang in «Julius Caesar» hineingelesen haben. Sie waren ratlos: Wer ist der tragische Held? Caesar, der das Opfer von Mördern wird? Oder Brutus, der Caesar tötet, aber sein Ziel verfehlt? Hat Shakespeare ein republikanisches Drama geschrieben, das der Rechtfertigung des Tyrannenmordes dient? Oder ist das Stück pro-monarchisch, die Mörder verblendete Idealisten, die sich gegen die Zeit stemmen? Im England der Epoche waren das drängende Fragen. Lange wollte man die Ambivalenz der Figuren nicht wahrhaben: Caesar ist zugewandt, gerecht und weise, ein guter König. Aber er ist zugleich der Faszination der Macht erlegen. Brutus ist mutig, gebildet und zutiefst menschlich: das Musterbeispiel eines intellektuellen Politikers mit funktionsfähigem moralischen Kompass. Aber er erliegt der Illusion, dass er Rom – und sich selbst – aus Caesars Schatten befreien kann." Michael Sommer über seine Rolle als Ermittler in der Mordsache:
"Der historische Ermittler kann sich nicht auf viele Indizien stützen. Erhalten sind nur ein paar Briefe, die Caesar Mörder wie Brutus, Cassius und Tribus geschrieben haben, meist an Cicero und in denen sie sich, wenn überhaupt, dann nur zwischen den Zeilen über ihre Pläne äußern. Schließlich las der Feind womöglich mit. Der Ermittler ist also auf Zeugenaussagen angewiesen. Sie stammen von Gewährsleuten, die alle samt ein Glaubwürdigkeitsproblem haben. Oft schildern sie ihre eigene Version der Ereignisse, weil sie voreingenommen sind: gegen Caesar, wie Cicero, der Zeitgenosse und genaue Beobachter der römischen Politik; oder für ihn, wie die meisten, die erst zur Feder griffen, nachdem sich Augustus, als Adoptivsohn im Spiel um die Macht durchgesetzt hatte."
Aus Rezensionen:
Wilhelm von Sternburg FR 15.10.24:
hochspannend und gleichzeitig wissenschaftlich valide, unterstützt mit Texten antiker Historiker
Clemens Klünemann NZZ 27.9.24:
Sommer erzählt im Blick auf die Suche nach den Gründen für den Tyrannenmord die Geschichte der römischen Republik nach und geht der Frage nach, weshalb es den Mördern nicht gelang, das verfolgte Hauptziel, Erneuerung der Republik zu erreichen.
Fontanefan:
Als Jugendlicher habe ich Mirko Jelusischs Cäsarbiographie durchaus mit Gewinn gelesen. Als ich jetzt dies Buch bekam schreckte ich vor dem reißerischen Titel zurück. Jetzt ein erzählerisch ausgestaltetes Werk, wo der Erzähler fast alles erfinden muss, was wird das wohl werden. Aber ich wurde positiv enttäuscht. Bis auf kürzere Passagen ist das Buch tatsächlich im Stil einer investigativen Reportagestil geschrieben, und es beginnt mit Tarquinius. Da gibt es jetzt Stoff genug, und es bedarf keiner Räuberpistole; aber die Geschichte wird zugespitzt als Vorgeschichte auf ein Ereignis, ergeht sich also nicht in langen abstrakten Schilderungen des Lebens auf dem Lande und des Aufbaus der römischen Gesellschaft.
Zur Vorgeschichte:
Die Darstellung der Vorgeschichte der Verschwörung ist weithin überzeugend. Mich stört allerdings etwas, wie sicher Cäsar an dem erst 17/18-jährigen Octavian "Die Einheit von absoluter Skrupellosigkeit und strategischem Weitblick, diese typisch caesarische Mischung" (S.149) nach dem Bericht des Ermittlers erkannt haben soll. Das sind Eigenschaften, die im Laufe seiner Frontenwechsel zwischen Republik und Triumvirat deutlich wurden, aber doch schwerlich an einem 18-Jährigen erkannt werden können.
Vielleicht hält sich deshalb der Historiker Sommer, der sonst mit "Aktenvermerken des Historikers" nicht spart, zurück.
Auf dem Weg zur Ermordung
Nach Sommer war Cassius einer der fähigsten, wenn nicht der fähigste Militär beim Partherfeldzug unter Crassus, organisierte erfolgreich den Rückzug des geschlagenen Heeres, operierte unter Pompeius erfolgreich zu Land und zur See gegen Cäsar. Dieser schätzte seine militärischen Qualitäten, begnadigte ihn und sah für Cassius die Provinz Syria vor (zog aber für die Stadtpräfektur Brutus vor), Cassius war offenbar unzufrieden (wie aus den Briefen an Cicero nachträglich herausgelesen werden kann. Aber erst als Cäsar erfolgreich und relativ arrogant aus Spanien zurückkehrte, sah er die Chance, im Kreis der angesehenen Senatoren mehr Bundesgenossen zu finden. (S.175-88)
Marcus Iunius Brutus
Ligarius (S.225-28)
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