Samstag, 17. September 2022

Franzosen und Deutsche: Blinde Flecken bei der Erinnerung

Besprechung des Buches von Claus LeggewieReparationen im Dreieck Algerien, Frankreich, Deutschland, Donata Kinzelbach Verlag, Mainz 2022 

"[...] gelingt dem Autor auf beeindruckende Weise zweierlei: Zum einen nämlich, den Subtext der deutsch-französischen Geschichte offenzulegen; zu diesem gehört der 8. Mai 1945, der für die Franzosen (und inzwischen auch für die Deutschen) als Tag der Befreiung gilt, für Algerier indes der Jahrestag des Massakers von Sétif an etwa 30 000 Menschen ist, die an eben diesem Tag von der französischen Kolonialmacht getötet wurden, weil sie nichts anderes forderten als das Ende der Besetzung ihres Landes. Zum anderen zeichnet Claus Leggewie die verheerenden Spuren des Kolonialismus nach, die bis in die Gegenwart führen - und keineswegs lediglich in die französische!

Er zieht Linien von der durch die Kolonisation geprägten Rolle der Frau und von der in Algerien herrschenden Vorstellung des Geschlechterverhältnisses zur Kölner Silvesternacht, und er zeigt "die ambivalente Symbolik der Verschleierung als Zeichen männlicher Dominanz und als Zeichen weiblichen Selbstbewusstseins" sowie die in Frankreich und Deutschland durchaus unterschiedlichen Reaktionen auf dieses Symbol.

Es ist müßig zu betonen, dass Claus Leggewie über den Verdacht erhaben ist, die Taten und vor allem die Untaten des einen Landes gegen die eines anderen aufzurechnen. Stattdessen gelingt es ihm, einzelne Ereignisse zu kontextualisieren; beharrlich bringt der Autor seine Leserinnen und Leser dazu, sich nicht mit einer unhinterfragten und oftmals durch nationale Sichtweisen geprägten Wahrnehmung zufriedenzugeben. Am eindrücklichsten gelingt ihm dies in dem Kapitel über das "Tocqueville-Paradox", womit Leggewie die Mischung aus Arabophilie und kolonialer Landnahme meint.

Er hätte es auch das Gambetta- oder Ferry-Paradox nennen können, denn im Gegensatz zum deutschen Kaiserreich, wo die Protagonisten der Kolonialpolitik aus den nationalistisch-völkischen Kreisen kamen, stützte sich der Kolonialismus in Frankreich auf liberale und linke Republikaner, die ernsthaft von Frankreichs Mission träumten, die Segnungen von Demokratie, Menschenrechten und technologischem Fortschritt auch noch in den am weitesten von Paris liegenden Ort der Erde zu bringen. [...]"  (Deutsch-französische Beziehungen: Blinde Flecken jenseits der Versöhnung von Clemens Klünemann, SZ 17. 9. 2022 - Eine Besprechung de


Kosaken

 Andreas Kappeler: „Die Kosaken“ von Christian Thomas FR 16.9.22

"[...] Um Vorreiter zu werden, mussten sie allerdings umsatteln. Denn auf das Pferd, so berichtet es Andreas Kappeler in seinem Buch „Die Kosaken“, waren sie nicht immer schon eingestellt. Während ihrer Anfänge „geschickte Bootsfahrer“, die nicht nur vom friedlichen Fischfang auf dem Dnjepr lebten, sondern auch vom Beutemachen unter den Mitmenschen ihrer Zeit, schauten sie sich weiter um – den verfeindeten Steppenreitern deren Mobilität ab.

Historisch waren die Kosaken so etwas wie die Nachhut der Reiterkrieger, die Europa seit der Spätantike in Furcht und Schrecken versetzten. Neutral gesagt, bildeten die Kosaken einen „Personenverband“, der spätestens seit dem 16. Jahrhundert fest im Sattel saß. Das waren namentlich die ukrainischen Dnjepr-Kosaken ebenso wie die russischen Don-Kosaken oder weitere Kosakengemeinschaften, deren Lebensraum nicht mehr allein die Flüsse und Ufer waren. Auch die Lebensweise der Spezies am Dnjepr war ungestüm, deren Zusammenleben erstaunlich egalitär organisiert. Nicht zuletzt waren sie Bahnbrecher der religiösen Orthodoxie, brutale Bahnbrecher.

Beschränken wir uns auf die Ukraine, wo die Kosaken von ihren Basislagern in den Uferwäldern und auf den Inseln des Dnjepr operierten. Da die Befestigungen geografisch „hinter den Dnjepr-Stromschnellen“ lagen, wurde sie als Zaporoger-Kosaken bezeichnet. Deren Burg (Sic) diente als Versammlungsort aller Kosaken, als „Ring“ (Kolo) und als „Rat“ (Rada), um die Hauptleute und das Oberhaupt, den Hetman zu wählen. Ihm, der über Leben und Tod gebot, war absoluter Gehorsam geschuldet von einer exklusiven Männer-Gemeinschaft, die unter ungewöhnlich gleichberechtigten, „demokratischen“ Bedingungen lebte, wie Kappeler betont. Dabei verfolgten die Dnjepr-Kosaken nicht selten ein Geschäftsmodell, das auf Raub, Entführung und Lösegeld basierte. Beträchtlich ihr Ruf am Lagerfeuer als „edle Räuber“ oder in wissenschaftlichen Abhandlungen als „Sozialbanditen“. [...]

Zweifellos sind die Kosaken diejenige Macht, ohne die sich die Ukraine so nicht entwickelt hätte. Nicht ihre vormoderne Eigenständigkeit zwischen Russland und Polen, nicht ihre Rolle seit der frühen Neuzeit – aufgegriffen ebenfalls stark in der Literatur des 19. Jahrhunderts, ob bei dem gebürtigen Ukrainer Nikolai Gogol oder bei dem ukrainischen Nationaldichter schlechthin, Taras Schewtschenko."

"Es wäre nicht richtig, sich die Kosaken als 'europäische' Kämpfer gegen anbrandende asiatische Horden vorzustellen. In vieler Hinsicht ähnelten ihre Gesellschaftsorganisationen und kulturellen Leitbilder mehr den nichtrussischen Nachbarn als der Metropole. Vor allem im Kaukasus war dies so, wo die Terek-Kosaken und die kaukasischen Bergvölker als geradezu spiegelbildlich organisierte Kriegerkulturen in engem Austausch miteinander lebten. Für die Kosaken waren russische Kaufleute und Karawanen eine leichtere Beute als ihre wehrhaften Nachbarn. Als der zarische Staat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Druck auf die Terek-Kosaken ausübte, um sie gegen die Kaukasusvölker einzusetzen, gerieten viele in Loyalitätskonflikte; manche desertierten zur kaukasischen Seite und konvertierten zum Islam. Erst 1824 wurden die Terek-Kosaken offiziell in den zarischen Staatsverband aufgenommen, hatten Dienste zu leisten und Steuern zu zahlen." (Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts S.323/24)

Kosaken (Wikipedia)

kleine Linksammlung zu Kosaken

mehr Artikel in der Frankfurter Rundschau im Rahmen der Ukraine Bibliothek und zur Ukraine allgemein

Freitag, 16. September 2022

Nicht vergessen! Memory of Mankind

 Es hat sich mir tief ins Gedächtnis eingebrannt: Keramik und analoge Wiedergabe sind die größte Chance, Informationen langfristig zu überliefern. Aber immer wieder vergesse ich, wo ich die Informationen über dieses Projekt finde:


Memory of Mankind, die größte Zeitkapsel der Menschheit

Auf Grund unseres digitalen Zeitalters laufen wir Gefahr, kaum dauerhafte Aufzeichnungen zu hinterlassen. Auf der anderen Seite haben wir die Verpflichtung bestimmte Informationen besonders lange Aufzubewahren. Das sind zum Beispiel Informationen über Lagerstätten von nuklearem Abfall. MOM ist in verschiedenen Sprachen geschrieben. Du findest hier auch die Erklärung, wie unsere heutigen Sprachen in die Zukunft weitergegeben werden.  (mehr dazu)
Entzifferung unserer Sprachen
Ein kritischer Aspekt des MOM Projektes ist die Aufbewahrung von Information in einer Weise, die eine Entzifferung in der Zukunft ermöglicht.
Um eine präzise Entzifferung zu garantieren werden die Sprachen selbst beschrieben:
Ein "Bilderwörterbuch" enthält tausende von Fotos von Dingen und Situationen, die mit den dazugehörenden Begriffen direkt beschriftet sind.
Abstrakte Bedeutungen werden durch konkrete Begriffe erklärt.
Thesaurus, Wörter-, Phrasen-, Redewendungs-, Grammatik- und Rechtschreibungsverzeichnisse vertiefen die Darstellung der Sprachen.
Beachte: Der Token ist so gestaltet, dass erst eine Zivilisation auf ähnlichem technischem Stand diesen verstehen und das MOM Archiv finden kann. Darum ist es erlaubt, die Technik für automatisierte Textverarbeitung als bekannt anzunehmen.

Donnerstag, 15. September 2022

Weltgeschichte

Geschichte der Menschheit (chronologisch)  (Wikibooks)

Menschheitsgeschichte (Wikipedia)

Tabelle zur Geschichte ab 1945 (ZUM.de)

Weltgeschichte ab 1990 (ZUM Unterrichten)


Geschichte des 19. Jahrhunderts

  Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts

 bei: WikipediaZUM Unterrichten; Zitate bei Schnipsel
Osterhammel: Geschichte des 19. Jahrhunderts für Schüler)

Linkliste:

Überblick und Ereignislisten zu allen Jahren in Wikipedia.de

 Napoleon

http://de.wikipedia.org/wiki/Napoleon_Bonaparte

http://www.napoleon-online.de/

 

Russlandfeldzug

http://de.wikipedia.org/wiki/Russlandfeldzug_1812

 

Wiener Kongress

http://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Kongress

 

Restaurationszeit

http://de.wikipedia.org/wiki/Restauration_%28Geschichte%29

http://www.geschichtsverein-koengen.de/Restauration.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/Klemens_Wenzel_Nepomuk_Lothar_von_Metternich

 

Vormärz

http://de.wikipedia.org/wiki/Vormärz

http://www.xlibris.de/Epochen/Vormaerz/Vormaerz1.htm

 

Revolution 1848

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Geschichte#Revolution_von_1848

http://www.geschichtsverein-koengen.de/Revolution1848.htm

Paulskirchenversammlung

http://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Nationalversammlung

Hecker und Heckerzug

http://ingeb.org/Lieder/hecker.html

 

Ab 1848 vgl. Entwicklungen der Neuzeit und Deutsches Reich im 19. Jh.


Mittwoch, 14. September 2022

Gegen das Vergessen - Erinnerungspolitik

Gegen das Vergessen ist ein wichtiger Grundsatz der Geschichtspolitik insbesondere im Zusammenhang mit dem Holocaust und den Opfern der Zeit des Nationalsozialismus.

Strittig ist freilich, ob das auch für andere Bereiche – gegenwärtig ist besonders die Vertreibung von Deutschen nach 1945 in der Diskussion – gelten sollte.

Wichtig werden könnte der Grundsatz z.B. im Kontext
* mit den Gründen, die zur Sozialen Marktwirtschaft geführt haben [1948]
* mit den Gründen, die zur europäischen Einigung geführt haben (Schuman-Plan 1951/52) – (vgl. Referenden in Frankreich und den Niederlanden)
* mit den Gründen, die zur deutschen Einigung geführt haben (1989)
* mit den Opfern des Schießbefehls der DDR (gegen Verlassen eines Landes)
* mit den Opfern des Schengener Abkommens (gegen das Eindringen von Wirtschaftsflüchtlingen und anderen potentiell nicht Asylberechtigten in die EU)
* mit der Katastrophe von Tschernobyl

Methoden dieser Geschichtspolitik sind

* Dokumentationen in Büchern, Zeitungen, Fernsehen, usw.
* Archivierung und Zugänglichmachen von Originaldokumenten
* Wissenschaftliche Aufarbeitung
*  Geschichtswettbewerbe
* Gedenkstätten
* Gedenktage und Feierstunden
* Denkmale

vgl. auch:
Holocaustdenkmal
Verfolgte des Naziregimes
Filmarchiv
Langzeitgedächtnis

Auf einer gelungenen Seite mit „Stadtteil-Geschichten“  zum Kassler Stadtteil Bettenhausen finden/fanden sich hier auch viele recht persönliche Erinnerungen. (Vielleicht sind sie über die Wayback machine noch zu finden.)

(Meinen Text aus dem Jahr 2009 habe ich hier übernommen, um meine Absicht mit diesem Blog anzudeuten.)

Armut in der Spätantike und heute

 Wenn man aufgrund der inzwischen recht hohen Qualität und wegen des leichten Zugriffs auf die Wikipedia gewohnt ist, sich weitgehend dort ü...