Sonntag, 31. Dezember 2023

Weltgeschichte

Weltgeschichtsschreibung

Schon Herodot  hat versucht, die Geschichte der gesamten ihm bekannten Welt festzuhalten. Da er sich dabei auf die vorhandene Überlieferung stützte, hat er dafür auch Mythen herangezogen. Mittelalterliche Schreiber von Weltchroniken begannen aus demselben Grund mit der Schöpfung. 

Mit der Begründung der Archäologie gelang es, über die überlieferte Geschichte hinaus (Geschichte im engeren Sinne als Geschichte seit Erfindung der Schrift) durch Nutzung von Überresten Tradition kritisch zu überprüfen und die Menschheitsgeschichte bis zur Entwicklung der Menschen aus den Hominiden zurückzuverfolgen. 

Neue Versuche von Weltgeschichtsschreibung beziehen zum Teil auch die Erdgeschichte mit ein. 

Eine scherzhafte Darstellung der Weltgeschichte findet sich in den Film Weltgeschichte in genau drei Minuten.

Menschheitsgeschichte

Die Geschichte der gesamten Menschheit lässt sich nur in recht abstrahierter Form umfassend darstellen. Sie findet sich im Internet in der Menschheitsgeschichte der Wikipedia. 

Ein Versuch, die Entwicklung differenziert nach Erdteilen und Kulturen darzustellen, findet sich in der Geschichte der Menschheit in Wikibooks.

Jeder Versuch, zum Zwecke der Konkretisierung, noch kleinere Einheiten wie Stämme, Familien oder einzelne Personen einzubeziehen, wird sehr lückenhaft. Im Sinne einer größeren Anschaulichkeit sind diese Versuche aber als Gegenbild zu systematisierender Abstraktion zu begrüßen, z.B. Simon Sebag Montefiore: Die Welt. Eine Familiengeschichte der Menschheit 

Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Weltgeschichte (Weltgeschichtsschreibung)

https://de.wikipedia.org/wiki/Menschheitsgeschichte

https://de.wikibooks.org/wiki/Geschichte_der_Menschheit:_Chronologische_Gesamtdarstellung

https://de.wikipedia.org/wiki/Weltgeschichte#Zeitgen%C3%B6ssische_Werke_der_Weltgeschichte_/_World_History

https://de.wikipedia.org/wiki/Weltgeschichte_in_genau_drei_Minuten

https://de.wikipedia.org/wiki/Weit._Die_Geschichte_von_einem_Weg_um_die_Welt                (aktuelle menschliche Vielfalt)






https://de.wikibooks.org/wiki/Geschichte_der_Menschheit:_Chronologische_Gesamtdarstellung


Mittwoch, 27. Dezember 2023

Simon Sebag Montefiore: Die Welt. Eine Familiengeschichte der Menschheit

 Simon Sebag Montefiore: (original: The World: A Family History) deutsch: 2023, 1534 Seiten

Das Gegenteil der notwendig abstrahierenden Darstellung der Menschheitsgeschichte in der Wikipedia.

Der Trick ist, dass der Verfasser Osterhammels Methode der Darstellung des Gleichzeitigen und des Kulturbereich-Spezifischen aufgreift und tatsächlich auf (mehr oder minder!) die gesamte per Tradition überlieferte Geschichte anwendet und andererseits konsequent Strukturbetrachtung zugunsten von Personalisierung zurückstellt.

Zitate:

"Ein Erfolg für die Amerikaner war, dass sie die Ukraine und Kasachstan davon überzeugen konnten, die [...) Atomwaffen aufzugeben" (S.1389)
"In diesem Werk [...] verwebt Montefiore die Geschichte von Dienern, Höflingen, Königen, Eroberern, Predigern und Philosophen, die Geschichte gemacht haben. Eine brilliante Synthese, die selbst den Belesensten neue Einblicke geben wird." (Henry Kissinger), S.1466.

Auf S.1389 wird auch der sprichwörtliche Taxifahrer (in diesem Fall der gerade arbeitslose Putin) zitiert, der vom "Ende des historischen Russland unter dem Namen der Sowjetunion" spricht.

Zum Inhalt

Earl Grey, Palmerston (fragwürdige Kompromisse)
Gezo von Dahomey  stellte die Wirtschaft um, so dass andere Exportgüter als Sklaven verkauft werden konnten, doch intensivierte er gleichzeitig den Sklavenhandel auf 10 000 Sklaven pro Jahr und finanzierte damit eine "Streitmacht aus 3000 bis 6000 Kriegerinnen, [...]. Die Frauen wurden bereits mit acht Jahren zu Kriegerinnen ausgebildet und durften  weder heiraten noch Sex haben - außer mit dem König" (S.929)". (S.928-930)

Besonders kenntnisreich ist Montefiore in der Geschichte Russlands und der Sowjetunion, das zeigt sich u.a. in seiner Darstellung der Herrschaft Jelzins (S.1380ff.), die hier als Beispiel herangezogen, aber wegen des Copyrights durch die Version der englischen Wikipedia in Maschinenübersetzung angedeutet wird: 
"Im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 1996 wie auch 1993 hatte Jelzin laut Korzhakov nicht die Absicht, den Kreml zu verlassen, und war bereit, alles zu tun, um seinen Verbleib zu sichern. Jelzin fühlte sich frei, seine Verachtung für demokratische Prinzipien in der Gegenwart von Korzhakov zum Ausdruck zu bringen. Einige Episoden, von denen der Autor berichtet, erinnern fast an die Nixon-Jahre und die veröffentlichten Watergate-Bänder. Korschakow zufolge erörterten Jelzin und sein Premierminister Viktor Tschernomyrdin im Sommer 1996 die sehr ernste Möglichkeit, die Präsidentschaftswahlen abzusagen. Korzhakov fügt mehrere wichtige Details hinzu, die möglicherweise die Ansicht bestätigen, dass der Kreml während des Präsidentschaftswahlkampfes 1996 gegen viele demokratische Regeln verstoßen hat. Er erklärt auch ausführlich die Geschichte, wie die Leute von Anatoli Tschubais versuchten, dem Kreml illegal 500 000 Dollar abzunehmen.

Demokratische Institutionen wie das Parlament und die Gerichte spielten im Leben des Kremls eine äußerst begrenzte Rolle und hatten keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess. Stattdessen erweist sich Jelzins Familie laut Korzhakov als führende politische Institution in Russland. Korschakow kommt zu dem Schluss, dass Jelzin bei seinen Entscheidungen nicht von den Interessen des Staates, sondern von seinem eigenen Familienclan geleitet wurde.

Alexander Litwinenko - ein ehemaliger KGB/FSB-Offizier, der Anfang/Mitte der 2000er Jahre die Seiten wechselte - gibt in seinem Buch "Blowing Up Russia" Korschakow (zusammen mit Barsukow) die Schuld: nur "ihre Geldgier" sei der Grund für den ersten und teilweise auch für den zweiten Tschetschenienkrieg gewesen.

Die Leute um Jelzin
Korzhakov behauptet, dass der Kreml von verschiedenen unkonventionellen Führern wie Leibwächtern wie Korzhakov selbst geleitet wurde. In dem Buch gesteht Korzhakov, dass er und der FSB-Chef Mikhail Barsukov, ein weiteres Mitglied von Jelzins Garde, "das Land drei Jahre lang regiert haben".

Korzhakov zeichnet ein interessantes Porträt der Menschen im Umfeld Jelzins, von denen nur wenige als moralisch und intellektuell höherstehend dargestellt werden als der Autor. Korzhakov beschreibt die Atmosphäre im Umfeld Jelzins als von ungezügelter Vetternwirtschaft geprägt, ein fruchtbarer Boden für Intrigen zwischen denjenigen, die um das Ohr des Präsidenten kämpfen.

Sogar der Gedanke an Mord schwebt in den späten 1990er Jahren über dem Kreml. Die Aufforderungen und Versprechungen von Kremlmitgliedern, ihre politischen Rivalen zu ermorden, ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Im Jahr 1999 wiederholte Korschakow die Behauptung, der Finanzmogul Boris Beresowski habe versucht, ihn zur Ermordung des Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow, des Finanzmagnaten und NTV-Gründers Wladimir Gusinski sowie des Schlagersängers und Duma-Abgeordneten Iosif Kobzon, eines Verbündeten Luschkows, zu überreden." (Wikipedia)

Montefiore betont freilich im Unterschied zu Korzhakov auch die Rolle von Jelzins Tochter Tatjana (S.1383). 

Dazu die deutsche Wikipedia über die Sieben-Bankiers-Bande:
"Trotz interner Spaltungen hatten sie sich informell zusammengeschlossen, um Boris Jelzin bei der Präsidentschaftswahl in Russland 1996 mit Hilfe von Finanzierungen über Jelzins Tochter Tatjana die Wiederwahl als Präsident Russlands zu sichern.[1][2] Beim zweiten Wahlgang am 3. Juli 1996 erhielt Jelzin 53,8 % der Stimmen.[3] Im Zuge der Entwicklungen in der Geschichte Russlands kurz vor der Jahrtausendwende (z. B. Rubelkrise ab 1998, Aufstieg Putins) verloren die meisten der 1996 noch führenden Bankiers zunehmend ihre Bedeutung."

Ohne dass man annehmen muss, dass M.s Darstellung immer historisch korrekt ist, zeigt dieses Beispiel wie z.B. auch das der syrischen und koreanischen Diktatoren, dass auch aktuell Verwandtschaft eine wichtige Rolle für die Verteilung und Erhaltung politischer Macht spielen kann. (S.1384-88)

Samstag, 2. Dezember 2023

Zeitgeschichte nach 1945

 "[...] die häufige Wahl Europas als räumlicher Referenzpunkt [scheint] in der Regel eher eine pragmatische Entscheidung angesichts der vorhandenen wissenschaftlichen Expertise denn eine konzeptionelle Entscheidung darzustellen. Und doch erscheint diese Selbstbeschränkung angesichts des sich nach 1945 bahnbrechenden neuen Globalisierungsschubes gerade für die Zeitgeschichte unbefriedigend. Nicht nur bleibt der politische und ökonomische Bedeutungsgewinn nicht-europäischer Regionen seit 1945 unberücksichtigt, sondern eine pragmatische Europazentrierung erschwert auch eine kritische Reflexion in der Öffentlichkeit zirkulierender und häufig essentialistischer Konzepte von Europa.

Wie erhellend eine Einbeziehung der außereuropäischen Geschichte für die Zeitgeschichte sein kann, belegte unter anderem eine ausgezeichnete Sektion zu „Wahrheitskommissionen und historische Identitätsstiftung zwischen Staat und Zivilgesellschaft“, in der anhand der Beispiele Spanien, Guatemala, Südafrika und Australien verschiedene Modelle politischer und geschichtskultureller Aufarbeitung von Bürgerkriegen bzw. (kolonialer) Gewalt verglichen wurden. Die Vorträge zeichneten sich dadurch aus, dass sie Politik und Debatten gesellschaftlicher Befriedung und Versöhnung in den weiteren Kontext von Projekten der Nationsbildung stellten, an denen auch die Geschichtswissenschaften prominent beteiligt waren und sind. Auch wenn die Fallbeispiele im Einzelnen große Unterschiede aufwiesen, war es ein besonderes Verdienst der Sektion, die Kontinente übergreifenden Gemeinsamkeiten der Problemstellungen herauszustellen. Für den deutschen Betrachter warfen die Beiträge zugleich neues Licht auf Besonderheiten der doppelten deutschen Vergangenheitsaufarbeitung nach 1945 und 1989, etwa die Dominanz rechtlicher Fragen wie der Vermögensrestitution und Entschädigung in der Debatte der frühen Bundesrepublik. Es war fast bedauerlich, dass zwei Tage die hier geführte Diskussion von einer Sektion zur Wiedergutmachung in Deutschland und Israel trennten, die durch die Konzentration auf die Praxis der Wiedergutmachung in der Bundesrepublik und in Israel das Ringen um Wiedergutmachung in einen breiteren gesellschaftlichen und bilateralen Kontext stellte. Offen blieb, ob der 11. September 2001 eine Zäsur in den neueren internationalen Debatten um Vergangenheitspolitik und -aufarbeitung bedeutete, die ihren Ausgangspunkt in den Nürnberger Prozessen hatten. Zumindest in den USA sind die von der Clinton-Administration noch massiv geförderten Forschungen zur transitional justice nach den Terroranschlägen schlagartig in den Hintergrund getreten. [...]" (S.53/54)

Till Köstler: Zeitgeschichte nach 1945 (Bericht vom Historikertag 2006)

Armut in der Spätantike und heute

 Wenn man aufgrund der inzwischen recht hohen Qualität und wegen des leichten Zugriffs auf die Wikipedia gewohnt ist, sich weitgehend dort ü...