Montag, 29. Juli 2024

Als Deutsche in Deutschland Asyl suchten

 Vier schlichte Worte, beinahe bekenntnishaft klingen sie: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." So steht es im Grundgesetz, Artikel 16 a, Absatz 1. Der Parlamentarische Rat, der von September 1948 bis Mai 1949 über das Grundgesetz beriet, habe damit etwas völlig Neues geschaffen, lautet die gängige Einschätzung. Von einem "Sonderweg", eingeschlagen, um ausländischen Verfolgten umfassend Schutz zu gewähren, sprach unlängst der Historiker Heinrich August Winkler. Sein Kollege, der Migrationsforscher Klaus Bade, hat den Artikel 16 sogar als "die historische Antwort der Deutschen auf die Erfahrungen des Nationalsozialismus" bezeichnet.

Vertieft man sich in die Protokolle des Parlamentarischen Rates und rekonstruiert man die Debatten, die vor 75 Jahren die Entstehung des Grundgesetzes begleiteten, ergibt sich ein anderes Bild. Zwar ist das Grundrecht auf Asyl bis heute eine besondere Errungenschaft der westdeutschen Demokratie, aber es war seinerzeit weniger eine Lehre aus der NS-Zeit als eine Reaktion auf die Herausforderungen der Nachkriegsjahre. Dem Parlamentarischen Rat ging es daher nicht vorrangig um ausländische Verfolgte – sondern um deutsche.

(Als Deutsche in Deutschland Asyl suchten Die vergessene Entstehungsgeschichte des umkämpften Artikels 16 im Grundgesetz von Michael Mayer, Die ZEIT 23.5.2024              Nr. 23/2024)


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