Futuwwa: "Bei den Futuwwa-Bünden handelt es sich um korporativ ausgerichtete Organisationsformen junger Männer (Männerbünde) in islamisch geprägten Gesellschaften insbesondere des Mittelalters im vorderen Orient. Der im 8. Jahrhundert n. Chr. aufkommende Begriff Futuwwa (arabisch الفتوة, DMG al-futuwwa) steht im Allgemeinen für „Jugend“ und bezeichnet die Qualitäten und Charakterzüge des „jungen Mannes“ (arab. „fatā“, pl. „fityān“). Es trägt dabei die Bedeutung „Jugend, Jungmanntum, jugendliches Verhalten“.[1] Das Auftreten der Futuwwa-Bünde ist ein weit verbreitetes facettenreiches Phänomen. Mit dem Begriff „Futuwwa“ können ganz unterschiedlich ausgerichtete Bewegungen und Organisationen gemeint sein. [...]
Andererseits wird von „Fitjān“ auch berichtet als einem stetigen Element gesellschaftlicher Unordnung des städtischen Lebens. Sie werden als „Anhänger der Futuwwa“ häufig in eins gesetzt mit den als „'Ajjārūn“ bezeichneten Vagabunden, Landstreichern und Gesetzeslosen (arab. „'ajjār“, pl. „'ajjārūn“). Sie erscheinen oft als Inbegriff für bandenartige Gruppen gesellschaftlich randständiger junger Männer, welche entweder einen Faktor sozialen Aufruhrs darstellten, oder sich zeitweise das Fehlen gesellschaftlicher Ordnung zunutze machten, um sich als irreguläre Polizei- oder Hilfstruppen zu verdingen. Während sich manche Gruppe gegebenenfalls auch in den Dienst der Obrigkeit stellten, konnten sozialrevolutionär ausgerichtete Gruppen bei den unteren Gesellschaftsschichten durchaus einige Achtung erringen.
Im 11. Jahrhundert wandelte sich das Bild: die Gruppen von „Fitjān“ bzw. „'Ajjārūn“ entwickelten zunehmend einen anziehenden Charme auch für Mitglieder gehobener Gesellschaftsschichten, und es entwickelte sich im Kontrast zur gesellschaftlichen Wirklichkeit eine verbreitete Literatur über die idealisierten Werte und Ideale der Futuwwa. Auch der Sufismus begann sich zu dieser Zeit zunehmend für die Futuwwa zu interessieren. Hatte das altarabische Fatātum schon seit je her Eingang gefunden in die Spruchsammlungen berühmter Sufischeichs, entwickelte sich nun eine Literatur, in der die Futuwwa als fester Bestandteil des Sufismus dargestellt wurde.
Der Begriff „Futuwwa“ etablierte sich im Lauf der Geschichte als Bezeichnung eines festen Verhaltens- und Ehrenkodex. Er wird auch häufig als orientalisches Edelmannsideal bezeichnet. Diesem Ideal konnten die verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen zugeordnet werden. Folglich wurden und werden auch viele Phänomene, berechtigter- oder unberechtigterweise, mit dem Konzept der Futuwwa identifiziert. So kann „Futuwwa“ ebenso für das muslimische Vorbild des späteren europäischen „Rittertums“ stehen, wie für das Ideal der Brüderlichkeit innerhalb der Sufigemeinschaften. [...]"