Völkerwanderung (Wikipedia)
"In der historischen Forschung wird als sogenannte Völkerwanderung im engeren Sinne die Migration vor allem germanischer Gruppen in Mittel- und Südeuropa im Zeitraum vom Einbruch der Hunnen nach Europa circa 375/376 bis zum Einfall der Langobarden in Italien 568 bezeichnet.[1] Die Völkerwanderungszeit fällt in die Spätantike und bildet für die Geschichte des nördlichen Mittelmeerraums sowie West- und Mitteleuropas ein Bindeglied zwischen der klassischen Antike und dem europäischen Frühmittelalter, da man sie beiden Epochen zurechnen kann.
Die spätantike Völkerwanderung stellt allerdings keinen einheitlichen, in sich abgeschlossenen Vorgang dar. Vielmehr spielten bei den Migrationen der zumeist heterogen zusammengesetzten Gruppen aus dem außerrömischen Barbaricum unterschiedliche Faktoren eine Rolle, wobei in der neueren historischen und archäologischen Forschung viele Aspekte der Völkerwanderung äußerst unterschiedlich bewertet werden. Zentral für die Diskussion sind dabei die Fragen, ob der Zerfall des Weströmischen Reiches Folge oder vielmehr Ursache der „Völkerwanderungen“ war und ob damals tatsächlich „Völker“ umherzogen oder vielmehr Kriegerverbände auf der Suche nach Beute und Versorgung (annona) waren. In der modernen Forschung wird der Begriff „Völkerwanderung“ zunehmend kritisch gebraucht, da nach heutiger Einschätzung das Bild von „wandernden Völkern“ nicht haltbar ist und vielen Gelehrten mittlerweile als widerlegt gilt bzw. die Vorstellung einer Völkerwanderung grundsätzlich als „Forschungsmythos“ verworfen wird.[2] [...] immer mehr politische Macht ging auf – römische und germanische – Militärs über, die die heutige Forschung oft als warlords bezeichnet. Im Westen traten nun die im Vergleich zur römischen Bevölkerung verschwindend geringen germanischen Gruppen an Stelle des römischen Staates. Auf dem Boden des zerfallenen westlichen Imperiums entstanden so im 5. und 6. Jahrhundert germanisch-romanische Nachfolgereiche, die die Kultur Europas im Mittelalter entscheidend prägen sollten.[5]
Im Zusammenhang mit diesem Prozess kam es 476/80 zum Ende des weströmischen Kaisertums, während das Oströmische Reich das 5. Jahrhundert weitgehend intakt überstand." (Wikipedia)
Eine ältere Stimme: (Emil Nack: Die Germanen, Kindlers Kulturgeschichte Europas, Bd. 7. Copyright 1958, dtv. 1983, S. 180)
"Die eigentliche Völkerwanderung ist also von den anderen Völkerbewegungen nicht nach Wesen und Ursache, sondern nur nach Ausdehnung und Erfolg verschieden. Der Auszug der germanischen Stämme zielte nicht auf Raubfahrten. Dieses Motiv mag nur mitunter bestimmend gewesen sein. In der Hauptsache waren es Züge ganzer Völker oder wenigstens großer Teile, die mit Weib und Kind und ihrer Fahrnis, Neuland suchten." ("Landnot")
Wikipedia: Gotenvertrag von 382
"Tatsächlich waren die unmittelbaren Folgen der Niederlage von Adrianopel zwar schwerwiegend, aber keineswegs der Anfang vom Ende des Imperiums. Thrakien stand den Goten zwar zunächst weitgehend offen, dennoch konnten sie den Sieg nicht ausnutzen.[56] Überdies war, wie gesagt, nur die oströmische Feldarmee von den hohen Verlusten betroffen, nicht die westliche. Gratian eilte herbei, sah sich aber nach einigen Monaten gezwungen, einen neuen Kaiser im Osten des Reiches einzusetzen. Er entschied sich für den aus Spanien stammenden Römer Flavius Theodosius, dessen gleichnamiger Vater bereits ein sehr erfolgreicher General gewesen war.[57] Theodosius, der das Christentum zur Staatsreligion erheben sollte, erwies sich als ein tatkräftiger Kaiser."
"Als Theodosius Anfang 395 in Mailand überraschend starb, fühlte sich die römische Regierung jedenfalls offensichtlich nicht mehr an das foedus, das er mit den gotischen Kriegern geschlossen hatte, gebunden, und entließ sie. Daraufhin fühlten sich die Krieger betrogen und rebellierten. Verbittert zog Alarich mit diesem vorwiegend, aber keineswegs ausschließlich aus Goten bestehenden Heer gegen Konstantinopel, um einen neuen Vertrag zu erzwingen.[63] Die beiden folgenden Jahre waren von einem ständigen 'Auf und ab' gekennzeichnet, in dem der Heermeister Stilicho oft als Gegenspieler der Westgoten auftrat und Alarich zwischen die Fronten des sich zuspitzenden Konflikts zwischen den Kaiserhöfen in West- und Ostrom geriet, die nach der sogenannten Reichsteilung von 395 immer mehr auf Konfrontationskurs gingen. Sein Ziel war es dabei, für seine Männer eine gesicherte Versorgung durch den römischen Staat und für sich selbst einen hohen Posten in der kaiserlichen Armee zu erlangen. Der östliche Kaiserhof versuchte zeitweilig offenbar, Stilicho und Alarich gegeneinander auszuspielen."
"Mit der Ermordung Stilichos, des ehrgeizigen, aber dem weströmischen Kaiser gegenüber wohl loyalen Generals, sollte man sich in Ravenna jedoch verkalkuliert haben: Ganze Verbände barbarischer Truppen, die unter Stilicho gedient hatten, gingen zu den Goten über, darunter wohl auch die 12.000 Krieger, die der General aus dem Radagaisusheer in das Reichsheer übernommen hatte. Der schwache weströmische Kaiser Honorius weigerte sich, das von Stilicho geschlossene foedus einzuhalten oder ein neues zu schließen, so dass Alarich handeln musste und insgesamt dreimal gegen Rom zog, um seine Forderungen durchzusetzen. Rom war zwar schon seit Jahren nicht mehr die Hauptstadt des Imperiums, doch hatte es seine Bedeutung als Symbol nicht verloren. Im Oktober 408 konnte man sich in Rom, wo Durst und Hunger herrschten, noch gegen eine gewaltige Summe freikaufen.[68] Doch weder die römischen Senatoren noch der Bischof von Rom konnten den Kaiser im sicheren Ravenna dazu bewegen, mit den Goten zu verhandeln. So erschien Alarich 409 wieder vor Rom, wurde offenbar in die Stadt gelassen und setzte sogar mit dem Senator Priscus Attalus einen Gegenkaiser von seinen Gnaden ein, der aber die Hoffnungen Alarichs nicht erfüllen konnte und 410 wieder abgesetzt wurde, nachdem der comes Africae die Getreidelieferungen aus Karthago gestoppt und so eine Hungersnot in Italien ausgelöst hatte. Wenigstens gelang es den Goten, den römischen General Sarus, einen ehemaligen Konkurrenten Alarichs um die Führung der Goten, zu schlagen.[69] Schließlich sah Alarich, aller Optionen beraubt, nur noch einen Ausweg. Am 24. August 410 öffnete ihm Rom die Tore, und diesmal plünderten seine hungernden Männer die Stadt drei Tage lang, wobei Alarich, wie die meisten Goten inzwischen Christ, darauf bestanden haben soll, dass die Kirchen verschont wurden und kein Blut vergossen wurde.[70]
Die Plünderung Roms, die erste seit dem Galliersturm 387 v. Chr., war vor allem auf die starre Haltung des Honorius zurückzuführen.[71] Er hatte offenbar den Ernst der Lage nicht richtig erkannt, und diesmal war kein Stilicho zur Hand, um mit den meuternden Goten fertigzuwerden." (Wikipedia)