Simon Sebag Montefiore: (original: The World: A Family History) deutsch: 2023, 1534 SeitenDas Gegenteil der notwendig abstrahierenden Darstellung der Menschheitsgeschichte in der Wikipedia.
Der Trick ist, dass der Verfasser Osterhammels Methode der Darstellung des Gleichzeitigen und des Kulturbereich-Spezifischen aufgreift und tatsächlich auf (mehr oder minder!) die gesamte per Tradition überlieferte Geschichte anwendet und andererseits konsequent Strukturbetrachtung zugunsten von Personalisierung zurückstellt.
Zitate:
"Ein Erfolg für die Amerikaner war, dass sie die Ukraine und Kasachstan davon überzeugen konnten, die [...) Atomwaffen aufzugeben" (S.1389)
"In diesem Werk [...] verwebt Montefiore die Geschichte von Dienern, Höflingen, Königen, Eroberern, Predigern und Philosophen, die Geschichte gemacht haben. Eine brilliante Synthese, die selbst den Belesensten neue Einblicke geben wird." (Henry Kissinger), S.1466.
Auf S.1389 wird auch der sprichwörtliche Taxifahrer (in diesem Fall der gerade arbeitslose Putin) zitiert, der vom "Ende des historischen Russland unter dem Namen der Sowjetunion" spricht.
Zum Inhalt
Gezo von Dahomey stellte die Wirtschaft um, so dass andere Exportgüter als Sklaven verkauft werden konnten, doch intensivierte er gleichzeitig den Sklavenhandel auf 10 000 Sklaven pro Jahr und finanzierte damit eine "Streitmacht aus 3000 bis 6000 Kriegerinnen, [...]. Die Frauen wurden bereits mit acht Jahren zu Kriegerinnen ausgebildet und durften weder heiraten noch Sex haben - außer mit dem König" (S.929)". (S.928-930)
Besonders kenntnisreich ist Montefiore in der Geschichte Russlands und der Sowjetunion, das zeigt sich u.a. in seiner Darstellung der Herrschaft Jelzins (S.1380ff.), die hier als Beispiel herangezogen, aber wegen des Copyrights durch die Version der englischen Wikipedia in Maschinenübersetzung angedeutet wird: "Im Hinblick auf die
Präsidentschaftswahlen 1996 wie auch 1993 hatte Jelzin laut
Korzhakov nicht die Absicht, den Kreml zu verlassen, und war bereit,
alles zu tun, um seinen Verbleib zu sichern. Jelzin fühlte sich
frei, seine Verachtung für demokratische Prinzipien in der Gegenwart
von Korzhakov zum Ausdruck zu bringen. Einige Episoden, von denen der
Autor berichtet, erinnern fast an die Nixon-Jahre und die
veröffentlichten Watergate-Bänder. Korschakow zufolge erörterten
Jelzin und sein Premierminister
Viktor Tschernomyrdin im Sommer 1996
die sehr ernste Möglichkeit, die Präsidentschaftswahlen abzusagen.
Korzhakov fügt mehrere wichtige Details hinzu, die möglicherweise
die Ansicht bestätigen, dass der Kreml während des
Präsidentschaftswahlkampfes 1996 gegen viele demokratische Regeln
verstoßen hat. Er erklärt auch ausführlich die Geschichte, wie die
Leute von Anatoli Tschubais versuchten, dem Kreml illegal 500 000
Dollar abzunehmen.
Demokratische Institutionen wie das
Parlament und die Gerichte spielten im Leben des Kremls eine äußerst
begrenzte Rolle und hatten keinen Einfluss auf den
Entscheidungsprozess. Stattdessen erweist sich Jelzins Familie laut
Korzhakov als führende politische Institution in Russland.
Korschakow kommt zu dem Schluss, dass Jelzin bei seinen
Entscheidungen nicht von den Interessen des Staates, sondern von
seinem eigenen Familienclan geleitet wurde.
Alexander
Litwinenko - ein ehemaliger KGB/FSB-Offizier, der Anfang/Mitte der
2000er Jahre die Seiten wechselte - gibt in seinem Buch "Blowing
Up Russia" Korschakow (zusammen mit Barsukow) die Schuld: nur
"ihre Geldgier" sei der Grund für den ersten und teilweise
auch für den zweiten Tschetschenienkrieg gewesen.
Die Leute
um Jelzin
Korzhakov behauptet, dass der Kreml von verschiedenen
unkonventionellen Führern wie Leibwächtern wie Korzhakov selbst
geleitet wurde. In dem Buch gesteht Korzhakov, dass er und der
FSB-Chef Mikhail Barsukov, ein weiteres Mitglied von Jelzins Garde,
"das Land drei Jahre lang regiert haben".
Korzhakov
zeichnet ein interessantes Porträt der Menschen im Umfeld Jelzins,
von denen nur wenige als moralisch und intellektuell höherstehend
dargestellt werden als der Autor. Korzhakov beschreibt die Atmosphäre
im Umfeld Jelzins als von ungezügelter Vetternwirtschaft geprägt,
ein fruchtbarer Boden für Intrigen zwischen denjenigen, die um das
Ohr des Präsidenten kämpfen.
Sogar der Gedanke an Mord
schwebt in den späten 1990er Jahren über dem Kreml. Die
Aufforderungen und Versprechungen von Kremlmitgliedern, ihre
politischen Rivalen zu ermorden, ziehen sich wie ein roter Faden
durch das Buch. Im Jahr 1999 wiederholte Korschakow die Behauptung,
der Finanzmogul Boris Beresowski habe versucht, ihn zur Ermordung des
Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow, des Finanzmagnaten und
NTV-Gründers Wladimir Gusinski sowie des Schlagersängers und
Duma-Abgeordneten Iosif Kobzon, eines Verbündeten Luschkows, zu
überreden." (Wikipedia)
Montefiore betont freilich im Unterschied zu Korzhakov auch die Rolle von Jelzins Tochter Tatjana (S.1383).
Ohne dass man annehmen muss, dass M.s Darstellung immer historisch korrekt ist, zeigt dieses Beispiel wie z.B. auch das der syrischen und koreanischen Diktatoren, dass auch aktuell Verwandtschaft eine wichtige Rolle für die Verteilung und Erhaltung politischer Macht spielen kann. (S.1384-88)
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