Andreas Kappeler: „Die Kosaken“ von Christian Thomas FR 16.9.22
"[...] Um Vorreiter zu werden, mussten sie allerdings umsatteln. Denn auf das Pferd, so berichtet es Andreas Kappeler in seinem Buch „Die Kosaken“, waren sie nicht immer schon eingestellt. Während ihrer Anfänge „geschickte Bootsfahrer“, die nicht nur vom friedlichen Fischfang auf dem Dnjepr lebten, sondern auch vom Beutemachen unter den Mitmenschen ihrer Zeit, schauten sie sich weiter um – den verfeindeten Steppenreitern deren Mobilität ab.
Historisch waren die Kosaken so etwas wie die Nachhut der Reiterkrieger, die Europa seit der Spätantike in Furcht und Schrecken versetzten. Neutral gesagt, bildeten die Kosaken einen „Personenverband“, der spätestens seit dem 16. Jahrhundert fest im Sattel saß. Das waren namentlich die ukrainischen Dnjepr-Kosaken ebenso wie die russischen Don-Kosaken oder weitere Kosakengemeinschaften, deren Lebensraum nicht mehr allein die Flüsse und Ufer waren. Auch die Lebensweise der Spezies am Dnjepr war ungestüm, deren Zusammenleben erstaunlich egalitär organisiert. Nicht zuletzt waren sie Bahnbrecher der religiösen Orthodoxie, brutale Bahnbrecher.
Beschränken wir uns auf die Ukraine, wo die Kosaken von ihren Basislagern in den Uferwäldern und auf den Inseln des Dnjepr operierten. Da die Befestigungen geografisch „hinter den Dnjepr-Stromschnellen“ lagen, wurde sie als Zaporoger-Kosaken bezeichnet. Deren Burg (Sic) diente als Versammlungsort aller Kosaken, als „Ring“ (Kolo) und als „Rat“ (Rada), um die Hauptleute und das Oberhaupt, den Hetman zu wählen. Ihm, der über Leben und Tod gebot, war absoluter Gehorsam geschuldet von einer exklusiven Männer-Gemeinschaft, die unter ungewöhnlich gleichberechtigten, „demokratischen“ Bedingungen lebte, wie Kappeler betont. Dabei verfolgten die Dnjepr-Kosaken nicht selten ein Geschäftsmodell, das auf Raub, Entführung und Lösegeld basierte. Beträchtlich ihr Ruf am Lagerfeuer als „edle Räuber“ oder in wissenschaftlichen Abhandlungen als „Sozialbanditen“. [...]
Zweifellos sind die Kosaken diejenige Macht, ohne die sich die Ukraine so nicht entwickelt hätte. Nicht ihre vormoderne Eigenständigkeit zwischen Russland und Polen, nicht ihre Rolle seit der frühen Neuzeit – aufgegriffen ebenfalls stark in der Literatur des 19. Jahrhunderts, ob bei dem gebürtigen Ukrainer Nikolai Gogol oder bei dem ukrainischen Nationaldichter schlechthin, Taras Schewtschenko."
"Es wäre nicht richtig, sich die Kosaken als 'europäische' Kämpfer gegen anbrandende asiatische Horden vorzustellen. In vieler Hinsicht ähnelten ihre Gesellschaftsorganisationen und kulturellen Leitbilder mehr den nichtrussischen Nachbarn als der Metropole. Vor allem im Kaukasus war dies so, wo die Terek-Kosaken und die kaukasischen Bergvölker als geradezu spiegelbildlich organisierte Kriegerkulturen in engem Austausch miteinander lebten. Für die Kosaken waren russische Kaufleute und Karawanen eine leichtere Beute als ihre wehrhaften Nachbarn. Als der zarische Staat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Druck auf die Terek-Kosaken ausübte, um sie gegen die Kaukasusvölker einzusetzen, gerieten viele in Loyalitätskonflikte; manche desertierten zur kaukasischen Seite und konvertierten zum Islam. Erst 1824 wurden die Terek-Kosaken offiziell in den zarischen Staatsverband aufgenommen, hatten Dienste zu leisten und Steuern zu zahlen." (Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts S.323/24)
Kosaken (Wikipedia)
kleine Linksammlung zu Kosaken
mehr Artikel in der Frankfurter Rundschau im Rahmen der Ukraine Bibliothek und zur Ukraine allgemein
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